Nietzsche | Beware lest in the end a narrow faith capture thee, a hard, rigorous delusion! For now everything that is narrow and fixed seduceth and tempteth thee

English translation by Thomas Common

German text | Sources

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Who art thou?” asked Zarathustra vehemently, “what doest thou here? And why callest thou thyself my shadow? Thou art not pleasing unto me.”

“Forgive me,” answered the shadow, “that it is I; and if I please thee not—well, O Zarathustra! therein do I admire thee and thy good taste.

A wanderer am I, who have walked long at thy heels; always on the way, but without a goal, also without a home: so that verily, I lack little of being the eternally Wandering Jew, except that I am not eternal and not a Jew.

What? Must I ever be on the way? Whirled by every wind, unsettled, driven about? O earth, thou hast become too round for me!

On every surface have I already sat, like tired dust have I fallen asleep on mirrors and window-panes: everything taketh from me, nothing giveth; I become thin—I am almost equal to a shadow.

After thee, however, O Zarathustra, did I fly and hie longest; and though I hid myself from thee, I was nevertheless thy best shadow: wherever thou hast sat, there sat I also.

With thee have I wandered about in the remotest, coldest worlds, like a phantom that voluntarily haunteth winter roofs and snows.

With thee have I pushed into all the forbidden, all the worst and the furthest: and if there be anything of virtue in me, it is that I have had no fear of any prohibition.

With thee have I broken up whatever my heart revered; all boundary-stones and statues have I o’erthrown; the most dangerous wishes did I pursue,—verily, beyond every crime did I once go.

With thee did I unlearn the belief in words and worths and in great names. When the devil casteth his skin, doth not his name also fall away? It is also skin. The devil himself is perhaps—skin.

‘Nothing is true, all is permitted’: so said I to myself. Into the coldest water did I plunge with head and heart. Ah, how oft did I stand there naked on that account, like a red crab!

Ah, where have gone all my goodness and all my shame and all my belief in the good! Ah, where is the lying innocence which I once possessed, the innocence of the good and of their noble lies!

Too oft, verily, did I follow close to the heels of truth: then did it kick me on the face. Sometimes I meant to lie, and behold! then only did I hit—the truth.

Too much hath become clear unto me: now it doth not concern me any more. Nothing liveth any longer that I love,—how should I still love myself?

‘To live as I incline, or not to live at all’: so do I wish; so wisheth also the holiest. But alas! how have I still—inclination?

Have I—still a goal? A haven towards which MY sail is set?

A good wind? Ah, he only who knoweth WHITHER he saileth, knoweth what wind is good, and a fair wind for him.

What still remaineth to me? A heart weary and flippant; an unstable will; fluttering wings; a broken backbone.

This seeking for MY home: O Zarathustra, dost thou know that this seeking hath been MY home-sickening; it eateth me up.

‘WHERE is—MY home?’ For it do I ask and seek, and have sought, but have not found it. O eternal everywhere, O eternal nowhere, O eternal—in-vain!”

Thus spake the shadow, and Zarathustra’s countenance lengthened at his words. “Thou art my shadow!” said he at last sadly.

“Thy danger is not small, thou free spirit and wanderer! Thou hast had a bad day: see that a still worse evening doth not overtake thee!

To such unsettled ones as thou, seemeth at last even a prisoner blessed. Didst thou ever see how captured criminals sleep? They sleep quietly, they enjoy their new security.

Beware lest in the end a narrow faith capture thee, a hard, rigorous delusion! For now everything that is narrow and fixed seduceth and tempteth thee.

Thou hast lost thy goal. Alas, how wilt thou forego and forget that loss? Thereby—hast thou also lost thy way!

Thou poor rover and rambler, thou tired butterfly! wilt thou have a rest and a home this evening? Then go up to my cave!

Thither leadeth the way to my cave. And now will I run quickly away from thee again. Already lieth as it were a shadow upon me.

I will run alone, so that it may again become bright around me. Therefore must I still be a long time merrily upon my legs. In the evening, however, there will be—dancing with me!”—

Thus spake Zarathustra.

***

Wer bist du? fragte Zarathustra heftig, was treibst du hier? Und wesshalb heissest du dich meinen Schatten? Du gefällst mir nicht.“

„Vergieb mir, antwortete der Schatten, dass ich’s bin; und wenn ich dir nicht gefalle, wohlan, oh Zarathustra! darin lobe ich dich und deinen guten Geschmack.

Ein Wanderer bin ich, der viel schon hinter deinen Fersen her gieng: immer unterwegs, aber ohne Ziel, auch ohne Heim: also dass mir wahrlich wenig zum ewigen Juden fehlt, es sei denn, dass ich nicht ewig, und auch nicht Jude bin.

Wie? Muss ich immerdar unterwegs sein? Von jedem Winde gewirbelt, unstät, fortgetrieben? Oh Erde, du wardst mir zu rund!

Auf jeder Oberfläche sass ich schon, gleich müdem Staube schlief ich ein auf Spiegeln und Fensterscheiben: Alles nimmt von mir, Nichts giebt, ich werde dünn, — fast gleiche ich einem Schatten.

Dir aber, oh Zarathustra, flog und zog ich am längsten nach, und, verbarg ich mich schon vor dir, so war ich doch dein bester Schatten: wo du nur gesessen hast, sass ich auch.

Mit dir bin ich in fernsten, kältesten Welten umgegangen, einem Gespenste gleich, das freiwillig über Winterdächer und Schnee läuft.

Mit dir strebte ich in jedes Verbotene, Schlimmste, Fernste: und wenn irgend Etwas an mir Tugend ist, so ist es, dass ich vor keinem Verbote Furcht hatte.

Mit dir zerbrach ich, was je mein Herz verehrte, alle Grenzsteine und Bilder warf ich um, den gefährlichsten Wünschen lief ich nach, — wahrlich, über jedwedes Verbrechen lief ich einmal hinweg.

Mit dir verlernte ich den Glauben an Worte und Werthe und grosse Namen. Wenn der Teufel sich häutet, fällt da nicht auch sein Name ab? Der ist nämlich auch Haut. Der Teufel selber ist vielleicht — Haut.

„Nichts ist wahr, Alles ist erlaubt“: so sprach ich mir zu. In die kältesten Wasser stürzte ich mich, mit Kopf und Herzen. Ach, wie oft stand ich darob nackt als rother Krebs da!

Ach, wohin kam mir alles Gute und alle Scham und aller Glaube an die Guten! Ach, wohin ist jene verlogne Unschuld, die ich einst besass, die Unschuld der Guten und ihrer edlen Lügen!

Zu oft, wahrlich, folgte ich der Wahrheit dicht auf dem Fusse: da trat sie mir vor den Kopf. Manchmal meinte ich zu lügen, und siehe! da erst traf ich — die Wahrheit.

Zu Viel klärte sich mir auf: nun geht es mich Nichts mehr an. Nichts lebt mehr, das ich liebe, — wie sollte ich noch mich selber lieben?

„Leben, wie ich Lust habe, oder gar nicht leben“: so will ich’s, so will’s auch der Heiligste. Aber, wehe! wie habe ich noch — Lust?

Habe ich — noch ein Ziel? Einen Hafen, nach dem mein Segel läuft?

Einen guten Wind? Ach, nur wer weiss, wohin er fährt, weiss auch, welcher Wind gut und sein Fahrwind ist.

Was blieb mir noch zurück? Ein Herz müde und frech; ein unstäter Wille; Flatter-Flügel; ein zerbrochnes Rückgrat.

Diess Suchen nach meinem Heim: oh Zarathustra, weisst du wohl, diess Suchen war meine Heimsuchung, es frisst mich auf.

„Wo ist — mein Heim?“ Darnach frage und suche und suchte ich, das fand ich nicht. Oh ewiges Überall, oh ewiges Nirgendswo, oh ewiges — Umsonst!“


Also sprach der Schatten, und Zarathustra’s Gesicht verlängerte sich bei seinen Worten. „Du bist mein Schatten! sagte er endlich, mit Traurigkeit.

Deine Gefahr ist keine kleine, du freier Geist und Wanderer! Du hast einen schlimmen Tag gehabt: sieh zu, dass dir nicht noch ein schlimmerer Abend kommt!

Solchen Unstäten, wie du, dünkt zuletzt auch ein Gefängniss selig. Sahst du je, wie eingefangne Verbrecher schlafen? Sie schlafen ruhig, sie geniessen ihre neue Sicherheit.

Hüte dich, dass dich nicht am Ende noch ein enger Glaube einfängt, ein harter, strenger Wahn! Dich nämlich verführt und versucht nunmehr Jegliches, das eng und fest ist.

Du hast das Ziel verloren: wehe, wie wirst du diesen Verlust verscherzen und verschmerzen? Damit — hast du auch den Weg verloren!

Du armer Schweifender, Schwärmender, du müder Schmetterling! willst du diesen Abend eine Rast und Heimstätte haben? So gehe hinauf zu meiner Höhle!

Dorthin führt der Weg zu meiner Höhle. Und jetzo will ich schnell wieder von dir davonlaufen. Schon liegt es wie ein Schatten auf mir.

Ich will allein laufen, dass es wieder hell um mich werde. Dazu muss ich noch lange lustig auf den Beinen sein. Des Abends aber wird bei mir — getanzt!“ — —

Also sprach Zarathustra.