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Gegenbewegung der Kunst.
Pessimismus in der Kunst? —
der Künstler liebt allmählich die Mittel um ihrer selber willen, in denen sich der Rauschzustand zu erkennen giebt: die extreme Feinheit und Pracht der Farbe, die Deutlichkeit der Linie, die nuance des Tons: das Distinkte, wo sonst, im Normalen, alle Distinktion fehlt
— : alle distinkten Sachen, alle Nuancen, insofern sie an die extremen Kraftsteigerungen erinnern, welche der Rausch erzeugt, wecken rückwärts dieses Gefühl des Rausches.
— : die Wirkung der Kunstwerke ist die Erregung des kunstschaffenden Zustandes, des Rausches…
— : das Wesentliche an der Kunst bleibt ihre Daseins-Vollendung, ihr Hervorbringen der Vollkommenheit und Fülle
Kunst ist wesentlich Bejahung, Segnung, Vergöttlichung des Daseins…
— : Was bedeutet eine pessimistische Kunst?… Ist das nicht eine contradictio? — Ja.
Schopenhauer irrt, wenn er gewisse Werke der Kunst in den Dienst des Pessimism stellt. Die Tragödie lehrt nicht „Resignation“…
— Die furchtbaren und fragwürdigen Dinge darstellen ist selbst schon ein Instinkt der Macht und Herrlichkeit am Künstler: er fürchtet sie nicht…
Es giebt keine pessimistische Kunst… Die Kunst bejaht. Hiob bejaht.
Aber Zola? Aber de Goncourt?
— die Dinge sind häßlich, die sie zeigen: aber daß sie dieselben zeigen, ist aus Lust an diesem Häßlichen…
— hilft nichts! ihr betrügt euch, wenn ihr’s anders behauptet
Wie erlösend ist Dostoiewsky!
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eKGWB/NF-1888,14[47] — Nachgelassene Fragmente Frühjahr 1888.
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