Nietzsche-Anthologie: Briefe https://nietzsche.love/ en Nietzsche | Vorspiel des Parsifal | hat Wagner je Etwas besser gemacht? | das größte Meisterstück des Erhabenen, das ich kenne | einen so schwermüthigen Blick der Liebe https://nietzsche.love/anthologie/de/0024 <span class="field field--name-title field--type-string field--label-hidden">Nietzsche | Vorspiel des Parsifal | hat Wagner je Etwas besser gemacht? | das größte Meisterstück des Erhabenen, das ich kenne | einen so schwermüthigen Blick der Liebe</span> <span class="field field--name-uid field--type-entity-reference field--label-hidden"><span lang="" about="/user/1" typeof="schema:Person" property="schema:name" datatype="">nietzschelove</span></span> <span class="field field--name-created field--type-created field--label-hidden">Wed, 09/29/2021 - 16:36</span> <div class="clearfix text-formatted field field--name-body field--type-text-with-summary field--label-hidden field__item"><p><em>Briefe von Nietzsche </em></p> <p>An Heinrich Köselitz in Venedig Nice (France) rue des Ponchettes 29 au premier</p> <p>&lt;21. Januar 1887&gt;</p> <p class="text-align-center">(...)</p> <p class="text-align-justify">Zuletzt — neulich hörte ich zum ersten Male die Einleitung zum Parsifal (nämlich in Monte-Carlo!) Wenn ich Sie wiedersehe, will ich Ihnen genau sagen, was ich da verstand. Abgesehn übrigens von allen unzugehörigen Fragen (wozu solche Musik dienen kann oder etwa dienen soll?) sondern rein ästhetisch gefragt: hat Wagner je Etwas besser gemacht? Die allerhöchste psychologische Bewußtheit und Bestimmtheit in Bezug auf das, was hier gesagt, ausgedrückt, mitgetheilt werden soll, die kürzeste und direkteste Form dafür, jede Nuance des Gefühls bis aufs Epigrammatische gebracht; eine Deutlichkeit der Musik als descriptiver Kunst, bei der man an einen Schild mit erhabener Arbeit denkt; und, zuletzt, ein sublimes und außerordentliches Gefühl, Erlebniß, Ereigniß der Seele im Grunde der Musik, das Wagnern die höchste Ehre macht, eine Synthesis von Zuständen, die vielen Menschen, auch „höheren Menschen“, als unvereinbar gelten werden, von richtender Strenge, von „Höhe“ im erschreckenden Sinne des Worts, von einem Mitwissen und Durchschauen, das eine Seele wie mit Messern durchschneidet — und von Mitleiden mit dem, was da geschaut und gerichtet wird. Dergleichen giebt es bei Dante, sonst nicht. Ob je ein Maler einen so schwermüthigen Blick der Liebe gemalt hat als W&lt;agner&gt; mit den letzten Accenten seines Vorspiels? —</p> <p class="text-align-center">***</p> <p><em>Nachgelassene Fragmente</em></p> <p>[5 = N VII 3. Sommer 1886 — Herbst 1887]</p> <p>5[41]</p> <p class="text-align-justify">Vorspiel des P&lt;arsifal&gt;, größte Wohlthat, die mir seit langem erwiesen ist. Die Macht und Strenge des Gefühls, unbeschreiblich, ich kenne nichts, was das Christenthum so in der Tiefe nähme und so scharf zum Mitgefühl brächte. Ganz erhoben und ergriffen — kein Maler hat einen so unbeschreiblich schwermüthigen und zärtlichen Blick gemalt wie Wagner</p> <p class="text-align-justify">die Größe im Erfassen einer furchtbaren Gewißheit, aus der etwas von Mitleiden quillt:</p> <p class="text-align-justify">das größte Meisterstück des Erhabenen, das ich kenne, die Macht und Strenge im Erfassen einer furchtbaren Gewißheit, ein unbeschreiblicher Ausdruck von Größe im Mitleiden darüber; kein Maler hat einen solchen dunklen, schwermüthigen zärtlichen Blick gemalt wie Wagner in dem letzten Theile des Vorspiels. Auch Dante nicht, auch Leonardo nicht.</p> <p class="text-align-justify">Wie als ob seit vielen Jahren endlich einmal Jemand zu mir über die Probleme redete, die mich bekümmern, nicht natürlich mit den Antworten, die ich eben dafür bereit halte, sondern mit den christlichen — welche zuletzt die Antwort stärkerer Seelen gewesen ist als unsere letzten beiden Jahrhunderte hervorgebracht haben. Man legt allerdings beim Hören dieser Musik das Protestant&lt;ische&gt; wie ein Mißverständniß bei Seite: so wie die Musik Wagners in Montecarlo mich dazu brachte, wie ich nicht leugnen will, auch die sonst gehörte sehr gute Musik (Haydn Berlioz Brahms Reyers Sigurd-Ouvertüre) ebenfalls wie ein Mißverständniß der Musik bei Seite zu legen. Sonderbar! Als Knabe hatte ich mir die Mission zugedacht, das Mysterium auf die Bühne zu bringen; — — —</p> </div> <div class="field field--name-field-buchterm field--type-entity-reference field--label-hidden field__items"> <div class="field__item"><a href="/buch/11" hreflang="en">Nietzsche-Anthologie: Briefe</a></div> <div class="field__item"><a href="/buch/9" hreflang="en">Nietzsche-Anthologie: Nachgelassene Fragmente</a></div> </div> Wed, 29 Sep 2021 16:36:23 +0000 nietzschelove 462 at https://nietzsche.love Nietzsche | Ich habe, mit Willkür, mir jene Typen erfunden, die in ihrer Verwegenheit mir Vergnügen machen, z. B. den „Immoralisten“ — einen bisher unerhörten Typus https://nietzsche.love/anthologie/de/0018 <span class="field field--name-title field--type-string field--label-hidden">Nietzsche | Ich habe, mit Willkür, mir jene Typen erfunden, die in ihrer Verwegenheit mir Vergnügen machen, z. B. den „Immoralisten“ — einen bisher unerhörten Typus</span> <span class="field field--name-uid field--type-entity-reference field--label-hidden"><span lang="" about="/user/1" typeof="schema:Person" property="schema:name" datatype="">nietzschelove</span></span> <span class="field field--name-created field--type-created field--label-hidden">Thu, 08/26/2021 - 14:58</span> <div class="clearfix text-formatted field field--name-body field--type-text-with-summary field--label-hidden field__item"><p class="text-align-justify">Nietzsche</p> <p class="text-align-justify">An Franz Overbeck in Basel (Entwurf)</p> <p class="text-align-justify">&lt;Sils-Maria, kurz nach dem 20. Juli 1888&gt;</p> <p class="text-align-justify">Lieber Freund</p> <p class="text-align-justify">ich schreibe Dir noch ein paar Worte, doch ganz für uns, ganz unter uns. Die Schwierigkeit, in der ich lebe, ist außerordentich; doch liegt sie nicht dort, wo Du und andere Freunde sie suchen. Ich weiß kaum, sie begreiflich zu machen. Aber seit der Zeit, wo ich meinen Z&lt;arathustra&gt; auf dem Gewissen habe, bin ich wie ein Thier, das auf eine unbeschreibliche Weise fortwährend verwundet wird. Diese Wunde besteht darin, keine Antwort, keinen Hauch von Antwort gehört zu haben… Dies Buch steht so abseits, ich möchte sagen jenseits aller Bücher, daß es eine vollkommene Qual ist, es geschaffen zu haben — es stellt seinen Schöpfer ebenso abseits, ebenso jenseits. Ich wehre mich gegen eine Art Schlinge, die mich erwürgen will — das ist die Vereinsamung — ich verstehe es andererseits aus aller Tiefe, warum mir Niemand ein Wort sagen kann, das mich noch erreicht… Die Moral ist: man kann daran zu Grunde gehen etwas Unsterbliches gemacht zu haben: man büßt es hinterdrein in jedem Augenblick ab. Es verdirbt den Charakter, es verdirbt den Geschmack, es verdirbt die Gesundheit. Sechs Sätze jenes Buches zu verstehen und erlebt zu haben — das scheint mir Jeden bereits in eine höhere, fremdere Ordnung des Sterblichen zu heben. Aber die ganze Welt jenes Buches, die unausmeßlich schwere Welt von Tiefe, von Ferne, von Noch-niemals-bisher Gesehenem und Geschehenem auf sich haben und nach einem Versuch, sie mitzutheilen d. h. ihre Last sich geringer zu machen, der todten stupiden Einsamkeit sich gegenüber zu finden, ist ein Gefühl über alle Gefühle.</p> <p class="text-align-justify">Ich wehre mich, wie Du denken kannst, mit viel Erfindsamkeit gegen diesen Excess des Gefühls. Meine letzten Bücher gehören dahin: sie sind leidenschaftlicher als Alles, was ich sonst gemacht habe. Die Leidenschaft betäubt. Sie thut mir wohl, sie macht ein wenig vergessen… Ich bin außerdem Artist genug, um einen Zustand festhalten zu können, bis er Form, bis er Gestalt wird. Ich habe, mit Willkür, mir jene Typen erfunden, die in ihrer Verwegenheit mir Vergnügen machen, z. B. den „Immoralisten“ — einen bisher unerhörten Typus. Jetzt eben wird ein kleines Pamphlet musik&lt;alischer&gt; Natur gedruckt, das von der heitersten Laune eingegeben scheint: auch die Heiterkeit betäubt. Sie thut mir wohl, sie macht vergessen… Ich lache wirklich sehr viel bei solchen Erzeugnissen —</p> <p class="text-align-justify">Die Schwierigkeit, eine Distraktion zu finden, die stark genug &lt;sei&gt;, wird immer größer. Ich bin mitunter auf eine unbeschreibliche &lt;Weise&gt; melancholisch.</p> </div> <div class="clearfix text-formatted field field--name-field-notesdusite field--type-text-long field--label-hidden field__item"><p class="text-align-center">***</p> <p class="text-align-center">Brief AN Franz Overbeck: 20/07/1888</p> <p class="text-align-center">***</p> </div> <div class="field field--name-field-buchterm field--type-entity-reference field--label-hidden field__items"> <div class="field__item"><a href="/buch/11" hreflang="en">Nietzsche-Anthologie: Briefe</a></div> </div> Thu, 26 Aug 2021 14:58:51 +0000 nietzschelove 440 at https://nietzsche.love